Fichte sticht, Tanne nicht …

(27.11.2019) „Frau Hölzer, das riecht voll gut!“ ruft Lisa und sägt mit ihrer Bügelsäge Totäste an einer Fichte ab. Auch Phil ist begeistert, wie gut das frisch gesägte Holz riecht und nimmt sich gleich ein Stück mit in die Unterkunft. Gemeinsam mit den Mitarbeitern des Jugendwaldheims sind die Kinder in ein Waldstück bei Bad Berka gefahren und lernen dort viel über den Wald.

Für fünf Tage ist die Klasse 4a im Jugendwaldheim in Bergern (bei Bad Berka) zu Gast. Revierförster Peter Hoyer und seine Mitarbeiter laden ein zum Spüren, Erleben und Begreifen des Waldes in seiner ganzen Vielfalt. Die Kinder lernen eine ganze Woche lang den Wald als Lebensgemeinschaft und in seiner Bedeutung für den Menschen kennen.

Auf der Klassenfahrt gibt es weder Handys noch elektronische Spielzeuge oder einen Fernseher. Was im Vorfeld für die Kinder als Herausforderung gesehen wurde, meistern sie mit Bravour. Nach einem langen Waldtag stromern sie nachmittags auf dem großzügigen Gelände des Jugendwaldheims herum: sie spielen Fußball, erkunden den Igelpfad oder den Fuchsbau oder hüpfen wie wild auf dem riesigen Bodentrampolin. Bei Nieselregen wird einfach die Kapuze aufgesetzt oder es werden die Freizeiträume im Haus genutzt. Dort stehen Tischkicker, Billardtische und Fitnessgeräte.

Im Unterrichtsraum lernen die Kinder viel über die Tiere des Waldes und staunen über die zahlreichen Präparate. Im Anschluss daran gehen sie in den unmittelbar angrenzenden Wald und versetzen sich mit Hilfe von Spielen in die Tiere des Waldes. So verwandeln sich die Kinder in Eichelhäher und müssen Nudeln (alias Eicheln) im Wald verstecken. Immer ausgehend vom Startpunkt müssen sie dann die Nahrung wiederfinden, um den Winter zu überstehen. Gar nicht so einfach finden sie und so mancher hätte als Eichelhäher dem harten Winter Tribut zollen müssen, weil er seine perfekt geglaubten Verstecke nicht wiederfand.

Dass Bäume keine Freunde sind, erfahren die Kinder von Wolfgang und Lothar, die mit ihnen die vier Stunden im Wald verbringen. Sie sind immer im Kampf um Licht und Nährstoffe. Eindrucksvoll und mit einem Ideenreichtum, der sich sehen lassen kann, bringen die beiden den Kindern den Wald näher. Gemeinsam fällen die Kinder einen Baum, befreien ihn mit Schäleisen von der Borke. Zu guter Letzt gibt es noch eine besondere Aufgabe: Jede Gruppe erhält drei rohe Eier und muss sie mit Hilfe von Moos und Ästen vor den Tieren des Waldes schützen. Zehn Minuten haben die Kinder Zeit ihren Ameisenhügel zu errichten bevor Waldpädagoge Wolfgang mit Anlauf auf den Haufen springt. Die Nerven der Kinder liegen blank und sie fallen sich vor Freude in die Arme als die Eier trotz dieser Belastung noch heil im Moosbett liegen.

Geschafft! Die Eier liegen gut geschützt im selbstgebauten Ameisenbau.

Bevor es zum Mittagessen wieder in Richtung Bergern geht, müssen die Kinder das Gelernte noch einmal anwenden. Es gilt die mitgebrachten Wiener zu kochen. In einem vom Regen der Vortage aufgeweichten Waldstück. Wer gut aufgepasst hat, weiß, dass die Fichtenäste wie ein Regenschirm aufgestellt sind und ihren Stamm immer schön trocken halten. Unter Fichten sammeln die Kinder also trockenes Holz und stehen dann vor der nächsten Herausforderung: Das Feuer zu entfachen und mit Holz zu nähren. Doch gemeinsam schafft es die Gruppe und kann 15 Minuten später die wahrscheinlich weltbesten Wiener Würstchen bisher genießen.

Gemeinsam wandert die Klasse am Mittwochnachmittag zum Paulinenturm bei Hetschburg. Dort angekommen, nehmen fast alle Kinder die Besteigung des Turmes mit seinen 140 Stufen in Angriff und können trotz trüben Herbstwetters die Aussicht genießen. Am Tag darauf geht es nicht in den Wald, sondern nur an dessen Rand, denn dort stehen etliche vollbehangene Weißdornsträucher. Doch bevor diese zu feiner Marmelade verarbeitet sind, liegen noch einige Arbeitsschritte vor den Kindern. So mancher flucht als es ans Auslesen der Beeren in der Küche des Jugendwaldheimes geht. Kaum sind die Bleche mit den Beeren leer, wird der nächste Eimer daraufgekippt. Doch irgendwann ist es endlich geschafft und die Beeren werden gekocht und dann in einer Saftpresse ausgepresst. Anschließend wird der Saft zu Marmelade verarbeitet und in Gläser abgefüllt. Vom Strauch ins Glas – das kennen die Stadtkinder von heute kaum noch von zu Hause.

Am letzten Abend sitzen die Kinder zusammen am überdachten Lagerfeuerplatz, die Stockbrote hängen über dem Feuer und warten darauf, verspeist zu werden. Am Freitag fahren die Kinder bepackt mit einem selbstgemachten Weihnachtsgesteck, geflochtenen Körben, Weißdornmarmelade und jeder Menge Erlebnisse im Gepäck wieder nach Hause.